Allgemeine Informationen
Geographie
Das Gut Paradeningken liegt ca. 16 km westlich von Insterburg an der ehemaligen Reichsstraße 1.
Bedeutung des Namens
Die litauische Bedeutung des Wortes "Paradeningkai" ist Leitleute oder Wegweiser. Prodiningkai bedeutet dagegen Führerdorf: Ortsfremde Menschen waren auf einen Führer angewiesen, der sie durch fremdes Gebiet führte. Der Orts- bzw. Gutsname deutet darauf hin, dass es in den vergangenen Jahrhunderten entsprechende Führer in Paradeningken gab.
Der Ortsname hat im Laufe der Jahrhunderte mehrere Wandlungen erfahren:
- Parden
- Paradnicken
- Pratenischken
- Baradenick
- Pardeningken
- Paradefeld
Geschichtliches
Fürst Leopold von Anhalt-Dessau kauft das Gut 1721 zusammen mit dem Hauptgut Norkitten. Die Größe des Gutes wird 1732 mit 12,5 Hufen angegeben.
Fürst Leopold I. von Anhalt-Dessau (1646-1747), genannt "Der alte Dessauer"
Am 30.08.1757 brennt das Gut während der Schlacht bei Groß Jägersdorf vollständig nieder. Es wird anschließend wieder aufgebaut.
Truppendurchmärsche in den Jahren 1794, 1806/07 und 1812-1815 führen zu einer deutlichen Verschlechterung der Nahrungsmittelsituation, da sich durchziehende Truppen auch auf den Gütern versorgen.
Am 24.02.1835 kauft der Fürst von Anhalt-Dessau von den Krügerschen Eheleuten das Erbzinsgut Klein Paradeningken für 4.000 Reichsthaler und schlägt es dem Gut Paradeningken zu. Klein Paradeningken hatte eine Größe von 180 Morgen.
Auszug aus der Volkszählung von 1871:
- insgesamt 6 Wohngebäude mit 28 Haushaltungen
- insgesamt 145 Bewohner, davon 71 männlich
- Konfession: 133 evangelisch, 12 katholisch
- alle geben deutsch als Muttersprache an
- Ortsgrundfläche: 386,9 ha
Am 30.09.1928 bilden das Gut Paradeningken und die Gemeinde Wiepeningken zusammen die Gemeinde Staatshausen.
Paradeningken wird am 16.07.1938 in Paradefeld umbenannt.
Amtliches
- Landkreis: Insterburg
- Amtsbezirk: Norkitten
- Gendarmerie: Norkitten
- Standesamtsbezirk: Norkitten
- Evangelisches Kirchspiel: Norkitten
- Katholisches Kirchspiel: Insterburg
Sprache
Die Umgangssprache war das niederdeutsche Platt. Die Aussprache war sehr breit und man benutzte gerne den Dativ. Außerdem wurde regelmäßig die Verkleinerungsform angewendet. So wurde aus dem "Jungen" ein "Jungchen" und aus dem "Hund" ein "Hundche". Die ursprüngliche Sprache der Urbevölkerung war auch noch präsent. Man merkte das insbesondere bei den Orts- und Flurnamen sowie bei den Nachnamen.
Kirche
Das Gut Paradeningken gehörte zum Kirchspiel Norkitten. Die Gutsarbeiter hatten keine innige Beziehung zur Kirche. Man ging in aller Regel nur an Feiertagen zur Kirche nach Norkitten.
Patron der Kirche in Norkitten war der Herzog, deswegen hatte er das Recht der Pfarrerwahl. Er war jedoch auch für die Instandhaltung der Kirche verantwortlich. So musste er z.B. Baumaterial für Renovierungsarbeiten liefern.
Kirche Norkitten. Eine baugleiche Kirche ließ der Fürst in Dessau errichten.
Friedhof
Da Paradeningken zum Kirchspiel Norkitten gehörte und die Norkitter Kirche nur ca. 2 km entfernt war, vermutete ich, dass die Paradeningker auf dem Norkitter Friedhof beerdigt wurden. Dies erwies sich jedoch als Irrtum, denn die Paradeningker wurden in Wiepeningken (1938 in Staatshausen umbenannt) beerdigt. Da Wiepeningken keine eigene Kirche hatte, stellte sich die Frage, wo sich der Friedhof ursprünglich befand.
Vor unserer zweiten Ostpreußenreise 2010 konnten wir in Erfahrung bringen, dass der Friedhof westlich von Wiepeningken gelegen hat. In Insterburg angekommen, charterten wir ein Taxi, mit dem wir nach Wiepeningken fuhren. Da unser Taxifahrer den Friedhof nicht kannte, fragten wir in Wiepeningken eine Frau. Sie bestätigte uns, dass der Friedhof westlich von Wiepeningken in einem kleinen Wäldchen liegt bzw. gelegen hat.
Wir fuhren mit dem Taxi weiter in Richtung Friedhof. Am Ende des Dorfes angekommen, stellten wir fest, dass es keinen Weg mehr gab, der zum ca. 500 m entfernt liegenden Friedhof führte. Es blieb uns also nichts anderes übrig, als uns einen Weg durch das mannshohe Gras und Schilf zu bahnen.
In dem kleinen Wäldchen lag der Friedhof. Das Foto wurde von der Reichsstraße 1 aus gemacht.
Als wir das kleine Wäldchen erreichten, stellten wir sehr schnell fest, dass wir den Friedhof gefunden hatten. Im Wäldchen verstreut lagen Mauerwerksreste und Grabsteinfundamente. Grabsteine waren leider keine mehr zu finden, dafür aber zahlreiche geplünderte Gräber.
Fundament eines Grabsteines
Ein ausgehobenes Grab
Bei einem Stein hatten wir die Hoffnung, dass es sich um ein Grabstein handelt, der noch Inschriften enthält. Um das zu überprüfen, mussten wir ihn freilegen und umdrehen, was sich ohne Schaufel und Spaten nicht ganz einfach gestaltete. Nach dem Umdrehen stellten wir dann leider fest, dass es sich nur um den Sockel eines Grabsteines handelte.
Sockel eines Grabsteines
Im Zentrum des kleinen Wäldchens steht eine wahrlich gigantische Linde. Der Stamm ist hohl und man kann ihn problemlos begehen. Wenn diese uralte Linde erzählen könnte.....
Die uralte Linde
Der Münzfund
Im April 1918 wurde bei Feldarbeiten auf der Gemarkung des Gutes Paradeningken ein Münzschatz gefunden. Wie umfangreich der Fund ursprünglich war, ist heute nicht mehr feststellbar. Es ist lediglich dokumentiert, dass 1241 Münzen zur Bestimmung Herrn Balszus aus Posen vorgelegt wurden: 561 Münzen der Hochmeister des deutschen Ritterordens, 11 Münzen des Herzogs Albrecht von Preußen, 663 Münzen aus Polen, 3 Münzen der Herrenmeister von Livland, 11 Schweidnitzer Pölchen, 1 Halbgroschen des Erzbistums Magdeburg und 1 unbestimmbares Stück. Das Vorkommen dreier Schillinge von 1531, eines häufigeren Jahrgangs, läßt schließen, dass der Fund zu dieser Zeit vergraben wurde. Im Einzelnen waren folgende Münzen vorhanden:
Herkunft | Art | Bezeichnung | Jahr | Anzahl |
Deutscher Orden | Schilling | Michael Kuchmeister v. Sternberg | 1414-1422 | 28 |
Paul v. Rußdorf | 1422-1441 | 53 | ||
Konrad v. Erlichshausen | 1441-1449 | 1 | ||
Ludwig v. Erlichshausen | 1450-1464 | 27 | ||
Heinrich Reuss v. Plauen | 1467-1470 | 29 | ||
Heichrich Reffle v. Richtenberg | 1470-1477 | 73 | ||
Martin Trugsess v. Wetzhausen | 1477-1489 | 130 | ||
Johann v. Tiefen | 1489-1497 | 198 | ||
Groschen | Johann v. Tiefen | - | 8 | |
Friedrich v. Sachsen | 1498-1510 | 24 | ||
Albrecht v. Brandenburg | 1511-1525 | 3 | ||
Herzogtum Preußen | Schilling | Albrecht | 1525-1569 | 11 |
Danzig | Schilling | Kasimir Jagiello | 1445-1492 | 470 |
Sigismund I | 1506-1548 | 35 | ||
Elbing | Schilling | Kasimir Jagiello | - | 10 |
Sigismund I | - | 1 | ||
Thorn | Schilling | Kasimir Jagiello | - | 117 |
Westpreußen | Schilling | - | - | 26 |
Krone Polen | Halbgroschen | Wladislaus Jagiello | - | 1 |
Sigismund I | - | 1 | ||
Litauen | Halbgroschen | Sigismund | - | 1 |
- | Schilling | Herrenmeister v. Livland | - | 1 |
- | Schilling | Freitag v. Loringshaeven | 1486-1494 | 1 |
- | Schilling | Walter v. Plettenberg | 1494-1535 | 1 |
Schweidnitz | Pölchen | - | - | 1 |
Erzbistum Magdeburg | Halbgroschen | Ernst v. Sachsen | - | 1 |
Mord auf Paradeningken (Nichts für schwache Nerven!)
In der Dortmunder Zeitung erschien am 20.01.1911 der folgende Artikel:
Aus Insterburg, 19. Januar, wird uns geschrieben: Die Nachricht von der Hinrichtung zweier russischer Mörder in Insterburg weckt die Erinnerung an eine der schauderhaftesten Mordtaten, die sich in den letzten Jahren in Deutschland ereignet haben. Die Mörder, die aus Russisch-Polen stammenden Arbeiter Peter Gallat und Wladislaus Murafski, hatten sich am 14. November vor dem hiesigen Schwurgericht wegen Ermordung und Beraubung des russischen Arbeiters Sakulofski zu verantworten. Der Prozess förderte eine geradezu unglaubliche Brutalität der Angeklagten zu Tage und endete mit der Verurteilung zum Tode. Sakulofski arbeitete mit ihnen zusammen auf dem Gute Paradeningken und hatte sich etwas Geld gespart. Das wussten beide Landsleute, und sie beschlossen, ihn zu ermorden, sich seines Geldes zu bemächtigen und nach Rußland zu flüchten. Indem sie sich gegenseitig die Hand auf die Brust legten, hatten die beiden Mordgesellen einen Treueid geleistet, sich gegenseitig nach der Tat niemals zu verraten. Auf einem Feldwege lauerten sie dann am 12. August den nichts ahnenden Sakulofski auf, fielen über ihn her und, während ihn der eine am Boden festhielt, schlug ihn der andere, Murafski, mit einer Eisenstange dreimal über den Kopf. Gallat versetzte dann dem mit dem Tode ringenden Mann noch einen Schlag über den Schädel. Nachdem die Mörder dem Überfallenen das Geld genommen, es waren etwa 44 Mark, machten sie den Versuch, ihr Opfer zu vergraben. Sie bemerkten dabei aber, dass es noch röchelte; Murafski nahm sein Taschenmesser und schnitt dem Sterbenden die Gurgel durch, aus der, wie die Angeklagten in der Gerichtsverhandlung erzählten, das Blut plätschernd herausströmte. Dann ließen sie die Leiche liegen. Mit Hilfe eines Polizeihundes gelang es schon am folgenden Tage, die Täter zu ermitteln. Nach ihrer Verurteilung richteten sie ein Gnadengesuch an den Kaiser, das jedoch abschlägig beschieden wurde. Mit stoischem Gleichmut erwarteten sie im Gefängnis die Vollstreckung des Todesurteils, das jetzt durch den Scharfrichter Schwietz aus Breslau vollzogen wurde. Beide zitterten, als sie vor ihren letzten Augenblicken standen, heftig am ganzen Körper, benahmen sich aber sonst gefasst.